Gefahr und Nutzen der Nachschusspflicht
Schon der Name hat etwas Bedrohliches. Und zumindest für Laien ist es mitunter kaum nachzuvollziehen, wie es dazu kommt, dass nach verlustreich verlaufenden Börsengeschäften noch nicht alles ausgestanden sein soll, sondern der Händler ein zweites Mal zur Kasse gebeten wird. Im Extremfall kann diese Nachschusspflicht ein Vielfaches des eigentlichen Handelseinsatzes betragen und unter Umständen den Anleger finanziell ruinieren, wenn dieser nicht ausreichend vorgesorgt hat. Demgegenüber kann die Nachschusspflicht auch vor unnötigen Verlusten bei starken Kursausschlägen schützen, da, ohne ausreichend hinterlegtes Kapital die Gefahr besteht, dass eine Position „glatt gestellt“ wird, das heißt, vom Brokerunternehmen zwangsweise aufgelöst wird. Damit wird aber auch die Chance auf Gewinne im Zuge einer später möglichen Kurserholung zunichte gemacht.
Die Nachschusspflicht, im Börsenjargon auch als „Margin Call“ bekannt, ist in jedem Fall eine Medaille mit zwei Seiten. Während sie durchaus vor plötzlichen Verlusten durch eine ungewollte Auflösung der Position schützen kann, birgt sie unter Umständen unkalkulierbare Risiken. In jedem Fall ist es ein Handelsinstrument, welches nur bei ausreichender Erfahrung und profunder Marktkenntnis eingesetzt werden sollte. Ohnehin zählt das Marktsegment, in dem nachschusspflichtige Geschäfte abgewickelt werden, zu den hochspekulativen Bereichen im Handel mit Finanzprodukten. Bevor sich der Anleger also blindlings und durch die beachtlichen Gewinnchancen motiviert in dieses Segmentes stürzt, soll vorab noch einmal an ein Grundprinzip des Handels erinnert werden, welches auch die erfahrensten und besten Akteure nicht aufheben können: Risiko und Chance stehen immer in einem spiegelbildlichen Verhältnis und verhalten sich vollständig proportional zueinander. Das heißt, wer die Chance auf hohe Renditen sucht, darf sich vor massiven Verlustrisiken nicht fürchten.
Was ist eine Nachschusspflicht, bei welcher Handelsform spielt sie eine Rolle und wen kann sie wann treffen?
Anleger, die sich lediglich Aktien, Fonds oder Devisen in ihr Depot legen, brauchen sich mit Begriffen wie Nachschusspflicht, Margin, oder Margin Call nicht beschäftigen. Beim regulären börslichen Handel werden Titel gekauft und möglicherweise Dividenden eingestrichen. Nach einer gewissen Zeit wird das Papier wieder abgestoßen und es steht ein Kursgewinn oder auch ein Kursverlust zu Buche. Nach dem auf die erzielten Erträge noch die gesetzlichen Abgaben gezahlt wurden, ist der Fall für den Anleger normalerweise erledigt. In guten Zeiten kann sich der Anleger dabei über moderate Renditen freuen. Es gibt aber auch immer wieder Phasen der Seitwärtsbewegung, in denen auch Aktien, ETFs oder Rohstoffe kaum Renditen abwerfen oder sich gar negativ entwickeln. Neben dieser relativ einfach nachzuvollziehenden Handelsform gibt es jedoch weitere Marktsegmente, in denen mit Hilfe von Finanzderivaten auch bei fallenden und seitwärts treibenden Märkten beachtliche Renditen erzielt werden können.
Neben Terminkontrakten und Optionsscheinen bietet vor allem der Handel mit CFDs ein im Vergleich mit dem Aktienhandel völlig anderes Chance / Risiko Verhältnis. Bei dem Instrument der CFDs, also sogenannten Contracts for Difference oder auch Differentialkontrakten handelt es sich um hochspekulative Anlageinstrumente, bei denen der Anleger von minimalen Kursveränderungen eines Basiswertes profitieren kann. CFDs können im Prinzip für alle gängigen Finanzmarktprodukte wie Aktien, Rohstoffe, Indizes oder auch Wechselkursverhältnisse von Währungspaaren abgeschlossen werden. Der Anleger setzt dabei auf eine bestimmte Kursentwicklung des Basiswertes. Das heißt konkret, er wettet darauf, ob der Kurs in Zukunft steigt oder fällt. Im Unterschied zum Handel mit den realen Werten verfügen CFDs jedoch über einen sogenannten Kredithebel, in Fachkreisen auch Leverage genannt. Das bedeutet ganz einfach, dass zusätzlich geliehenes Kapital eingesetzt wird, was die im Falle einer richtig vorhergesagten Kursentwicklung den eigentlichen Gewinn des Basiswertes vervielfachen, eben hebeln würde. Im Sinne des genannten Verhältnisses von Chance und Risiko sind hiermit aber eben auch deutlich höhere Verluste möglich, sollte sich der Basiswert nicht in die gewünschte Richtung bewegen. Entsprechend dem gewählten Hebel vervielfachen sich so auch schnell die Verluste und an dieser Stelle kann die sogenannte Nachschusspflicht ins Spiel kommen. Grundsätzlich wird durch die Anbieter dieser CFDs vom Händler eine Sicherheitsleistung in Form der sogenannten „Initial Margin“ verlangt. Hierfür gibt es keinen festen Orientierungswert. Die jeweilige Höhe der Margin wird von den Brokern je nach Volatilität, also der Schwankungsbreite des Basiswertes sowie der Laufzeit und natürlich der gewünschten Hebelwirkung festgelegt. Je höher die genannten Parameter sind, desto höher wird auch die Initial Margin sein. Im Prinzip versucht der Emittent, also der Broker den jeweiligen CFD herausgibt, diese Initial Margin so zu gestalten, dass nach den Erfahrungswerten das Verlustrisiko abgedeckt ist. Allerdings kann es immer auch dazu kommen, dass ein Wert deutlich stärker als erwartet ausschlägt. Übersteigen die Verluste, die bei einer Veräußerung bzw. Schließung des CFDs drohen, die hinterlegte Margin, und wird die sogenannten Maintenance Margin erreicht es kommt zum Margin Call, der Nachschusspflicht für den Händler. Kommt der Händler diesem Aufruf nicht nach, ist der Broker berechtigt, die Position unmittelbar „glatt zu stellen“, das heißt, die Position aufzulösen. Dies ist in jedem Fall mit einem Totalverlust inklusive der hinterlegten Margin verbunden.
Eine besondere Gefahr stellen dabei besonders starke und unerwartete Kursbewegungen dar. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Positionen über das Wochenende gehalten werden und aufgrund von Ereignissen und Nachrichten der Basiswert mit einem deutlichen Kursabschlag eröffnet. In diesem Falle spricht man von einem sogenannten Opening Gap, also einem Kursabstand, der direkt nach Börseneröffnung entsteht, und auf den folglich nicht im Laufe einer Kursentwicklung reagiert werden kann. Über das Wochenende bzw. über Feiertage gehaltene Positionen, stellen dabei ein deutliches Risiko für Kursverluste dar, die eine massive Nachschusspflicht nach sich ziehen können. Dass aber auch unkalkulierbare Gefahren von finanzmarktpolitischen Entscheidungen ausgehen können, hat jüngst das Beispiel des Schweizer Franken gezeigt.
Schweizer Franken als ein Extrembeispiel
Auch wenn es sich bei diesem Beispiel um einen Extremfall handeln dürfte, führt es doch eindrücklich vor Augen, welchem potentiellen Risiko sich Anleger im Falle von CFDs aussetzen. Was war passiert? Im Januar des Jahres 2015 kündigte die Schweizer Notenbank unerwartet an, die Koppelung des Schweizer Franken an den Euro aufzugeben und setzte diese Entscheidung auch sofort um. Zuvor hatte sich die Schweizer Notenbank durch massive Eingriffe am Devisenmarkt gegen eine Aufwertung des Franken zu gestemmt, um die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft aufrecht zu erhalten. Die Entscheidung löste einen Kursrutsch am Devisenmarkt aus, der in der jüngsten Geschichte seines Gleichen sucht und von Marktbeobachtern mit einem Erdbeben gleichgesetzt wurde. Der Euro wertete innerhalb wenigen Minuten um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Franken ab. Nach dem die Notenbank den Kurs lange Zeit oberhalb von 1,20 Franken je Euro gehalten hatte, war der Euro nun weniger als einen Franken Wert. Der Franken hatte also zum Euro und auch zu anderen Währungen massiv aufgewertet. Besonders hart traf diese Entwicklung die Besitzer von hochspekulativen CFDs, die sich auf die Aussagen der Schweizer Notenbank verlassen hatten, den Kurs noch für lange Zeit stabil zu halten.
Welche Auswirkungen ein entsprechender Hebel in einem solchen Fall haben kann, soll folgendes Beispiel demonstrieren. Ein Kontrakt beinhaltete einen als hochspekulativ geltenden Hebel von 1:100 bei einem Eigenkapitaleinsatz von angenommenen 1.000 Euro. Ein Hebel von 100 bedeutet, dass inklusive dem Fremdkapital 100.000 Euro am Markt bewegt werden, so dass der Einsatz bereits bei einer positiven Kursveränderung um ein Prozent verdoppelt wird, das heißt, ein tatsächlicher Gewinn von 100 Prozent zu Buche steht. Der Anleger hätte 1000 Euro Gewinn gemacht. Geht der Basiswert jedoch um ein Prozent zurück, bedeutet dies für den Händler ebenfalls einen Verlust von 100 Prozent also bereits den Totalverlust. Ohne Hebel wären lediglich ein Prozent des eingesetzten Kapitals verloren gegangen. Der Anleger stünde in diesem Fall immerhin noch mit 990 Euro da.
Welche Wucht ein solcher Hebel jedoch bei unerwarteten Kursentwicklungen entfaltet, hat sich im Falle des Schweizer Franken gezeigt. In unserem Falle wären aus 1000 Euro Einsatz und dem Hebel von 100 ein Handelsvolumen von 100.000 Euro (1000 Euro x 100) bewegt worden. Der Kursverlust des Euros gegenüber dem Schweizer Franken betrug rund 20 Prozent, was einen Gesamtverlust von immerhin 20.000 Euro bedeutet hätte (100.000 Euro x -20%). Mit etwas höheren Einsätzen und noch gewaltigeren Hebeln von bis 1:400 können sich die Verluste in Einzelfällen auf bis zu sechsstellige Beträge summieren. Im Falle von 3000 Euro Einsatz und einem 400er Hebel hätte der Händler einen Verlust von sage und schreibe rund 240.000 Euro zu beklagen.
Dabei nutzte es den meisten Händlern wenig, dass sie unmittelbar unter der Marke von 1,20 Franken je Euro ein Stop Loss Limit gesetzt hatten. Grund dafür war, dass der Broker erst einen Abnehmer für diese Position finden muss und die Order erst beim nächsten von einem anderen Käufer gebotenen Kurs greift. Dies war in den meisten Fällen erst bei einem Kursniveau von unterhalb der Parität von Euro und Franken der Fall, was für die meisten Händler zu massiven Verlusten geführt hatte und damit verbundene Nachschusspflichten nach sich zog. Mitunter wird auch der Handel bei extremen Schwankungen oder unvorhergesehenen Ereignissen von der zuständigen Börsenaufsicht ausgesetzt. Auch in diesem Fall haben die Akteure kaum eine Chance, dass ihre Stopp Loss Limits greifen.
Stop Loss bei Nachschusspflicht oder gleich Broker ohne Nachschusspflicht wählen?
Wie die Beispiele um die Frankenaufwertung gegenüber dem Euro zeigen, lassen sich die Risiken auch mit den am Aktienmarkt bekannten Instrumenten wie etwa Stop Loss Limits nicht vollständig beherrschen. Auch wenn derartige Kurskapriolen insbesondere am Forex Markt ausgesprochen selten sind, kann man diese wohl doch niemals ganz ausschließen. Experten raten den Anlegern im CFD Segment daher dringend dazu, andere Absicherungsstrategien zu wählen. Hierzu gehört in aller erster Linie ein Handeln mit gesundem Augenmaß. Hebel von 100 und darüber sind vor diesem Hintergrund sehr zwiespältig zu beurteilen.
Grundsätzlich ist man darüber hinaus als spekulativ ausgerichteter Anleger stets gut beraten, wenn man sich mit den genauen Bedingungen und Angeboten seines Händlers beschäftigt. Denn viele Broker bieten auch zusätzliche Sicherungsinstrumente an. Hierzu gehört unbedingt das Instrument der garantierten Stop Loss Order, mit der man sich vor dem Verlust schützen kann, der aus der Differenz des eigentlichen Stop Kurses und des tatsächlichen Verkaufskurses, der sogenannten Slippage, absichern kann. So kann bei richtiger Positionierung des Kurses grundsätzlich vermieden werden, dass eine Position überhaupt ins Minus läuft. Klar ist aber auch, dass ein solches Sicherheitsnetz nicht für alle Basiswerte angeboten wird, da in vielen Fällen dem Broker das entsprechende Risiko zu hoch ist. Auch hieraus lassen sich entsprechende Schlüsse ziehen und Anleger sollten sich genau informieren, für welche Basiswerte derartige garantierte Stop Loss-Order gelten und für welche nicht. Im Endeffekt handelt es sich bei diesen Instrumenten um Versicherungen, die sich der Anbieter selbstverständlich bezahlen lässt, das heißt in diesem Falle entstehen dem Händler zusätzliche Kosten. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig, sich bei der Auswahl des richtigen Brokers auch über derartige Details zu informieren.
Auf der sicheren Seite wähnen sich dabei möglicherweise auch Anleger, welche einen Broker ausgewählt haben, bei dem es keine explizite Nachschusspflicht gibt. Anbietern die mit diesem Versprechen in den Markt gehen, verfahren dabei nach dem Prinzip, dass Positionen konsequent aufgelöst werden, sobald diese ins Minus laufen, bzw. nachschusspflichtig werden. Positiv für den Anleger ist dabei, dass, sollten marktbedingt keine Abnehmer für die Position gefunden werden, das Risiko durch den Broker getragen wird. Entsprechende Überraschungen wie im Falle des Franken Kurses sind somit ausgeschlossen. Gleichwohl muss der Anleger bei solchen Brokern auch mit deutlichen Nachteilen rechnen. Zunächst verlangen diese Anbieter eine deutlich höhere Sicherheitsleistung von ihren Kunden. Darüber hinaus ist das Angebot an handelbaren CFDs deutlich kleiner als bei der nachschusspflichtigen Konkurrenz. Besonders nachteilig kann sich außerdem auswirken, dass bereits kleine Schwankungen des Basiswertes immer wieder zur ungewollten Auflösung der Position führen, was auf Dauer ebenfalls zu nicht unerheblichen Verlusten führen kann. Ein vollständiger Verzicht auf die Nachschusspflicht ist aus diesem Grunde ebenfalls nicht ungefährlich und nicht uneingeschränkt zu empfehlen.
Fazit: Broker ohne Nachschusspflicht wählen
Der Handel mit hochspekulativen Differentialkontrakten ist zweifelsohne nicht für den durchschnittlichen Kleinanleger geeignet. Neben der relativ komplexen Wirkungsweise von Sicherheitsleistung und Kredithebel sowie der daraus resultierenden Verlustrisiken liegt dies vor allem an der ausgesprochen kurzfristigen Perspektive, mit der diese Produkte gehandelt werden. Anleger, welche sich mit dieser Art des Börsenhandels beschäftigten, benötigen neben ausreichend Zeit und Nerven vor allem fundierte Kenntnisse über die Wirkungsweisen dieser Produkte. Ein zentrales Element dabei ist die sogenannte Nachschusspflicht. Mit diesem Instrument können sich CFD Händler zum einen durch kurzfristige Kursausschläge verursachten Verluste schützen, in dem die Auflösung der Position verhindert wird. Laufen die Kurse des Basiswertes jedoch aus dem Ruder, summieren sich die Verluste zu Beträgen, die schnell in keinem Verhältnis zum ursprünglichen Einsatz stehen. Ein besonderes Risiko geht dabei von Positionen aus, die über Nacht bzw. über das Wochenende gehalten werden und mit unerwarteten Abschlägen in den Handel starten. Auch bei unvorhergesehenen Ereignissen oder Entscheidungen von Notenbanken droht Ungemach. Ein eindrucksvolles Beispiel war die Aufgabe der Bindung des Franken an den Euro am Anfang des Jahres 2015. Anleger sollten also in jedem Fall mit Augenmaß handeln, das Risiko genau kalkulieren und nach Möglichkeit Instrumente zur Absicherung nutzen.